Infobrief Servicebereich Personal 10 / 2018

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10 / 2018
13.06.2018

Infobrief Servicebereich Personal

An alle Mitgliedsorganisationen

Inhalt

»Aktuelles aus der Gesetzgebung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ab Januar 2019 soll neben dem bestehenden Anspruch auf zeitlich nicht begrenzte Teilzeitarbeit nun auch ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf zeitlich begrenzte Teilzeitarbeit (Brückenteilzeit) eingeführt werden. Worauf müssen sich Arbeitgeber einstellen? Näheres im nachfolgenden Beitrag.

Mit herzlichen Grüßen

Bettina Schweizer

 

Hinweis:

Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen entsprechend der Gesetzestexte die männliche Form gewählt, es ist jedoch immer die weibliche Form mitgemeint.

Aktuelles aus der Gesetzgebung 

Brückenteilzeit ab Januar 2019 - Referentenentwurf der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts liegt vor

Als eine der ersten Gesetzesinitiativen, weniger als 3 Monate nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen, liegt nun ein Referentenentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts vor. Das bereits im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU sehr konkret beschriebene Recht auf befristete Teilzeit – jetzt „Brückenteilzeit″ – wird darin in ein Gesetz gegossen.

 

Voraussetzungen der Brückenteilzeit und Antragsverfahren

Die Voraussetzungen der Brückenteilzeit sind künftig in einem neuen § 9a TzBfG geregelt und im Grunde aus dem Koalitionsvertrag abgeschrieben:

  •     Das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate.

  •     Die Brückenteilzeit kann nur für mindestens ein oder höchstens fünf Jahre genommen werden.

  •     Der Anspruch besteht nur gegen Arbeitgeber mit mehr als 45 Arbeitnehmern.

  •     Arbeitgeber mit 46-200 Arbeitnehmern können einen Antrag ablehnen, wenn sich bereits einer pro angefangene 15 Mitarbeiter in Brückenteilzeit befindet (sog. Zumutbarkeitsgrenze)

  •     Es stehen der Brückenteilzeit keine betrieblichen Gründe entgegen.

  •     Das Ende der letzten Brückenteilzeit ist mindestens ein Jahr her.

  •     Der Antrag muss drei Monate vor Beginn der geplanten Brückenteilzeit gestellt werden.

  •     Berechnung der Schwellenwerte und Zumutbarkeitsgrenze

Bei der Berechnung der neuen Schwellenwerte stellt sich die Frage, welche Mitarbeiter zu berücksichtigen sind, insbesondere ob Leiharbeitnehmer zählen und wie Teilzeitbeschäftigte zu berücksichtigen sind. Einzig für Auszubildende stellt der Referentenentwurf klar, dass diese nicht einzubeziehen sind.

Das Verfahren der Antragstellung entspricht weitgehend den Regelungen für den Anspruch auf zeitlich nicht begrenzte Teilzeitarbeit. Es gelten insbesondere die folgenden Regelungen:

  •     Im Antrag hat der Arbeitnehmer den gewünschten Umfang der Verringerung einschließlich des Zeitraums der Verringerung sowie den Wunsch der Verteilung der Arbeitszeit anzugeben.
  •     Der Arbeitgeber hat den Teilzeitwunsch mit dem Arbeitnehmer mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen.
  •     Der Arbeitgeber kann die Verringerung der Arbeitszeit aus betrieblichen Gründen ablehnen.
  •     Spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Teilzeitarbeit hat der Arbeitgeber die Entscheidung schriftlich mitzuteilen.
  •     Wenn der Arbeitgeber nicht bis spätestens einen Monat vor Beginn eine Entscheidung mitteilt, gilt die Brückenteilzeit als nach den Wünschen des Arbeitnehmers festgelegt.

Es besteht kein Anspruch auf Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit oder vorzeitige Rückkehr zur früheren Arbeitszeit während der Brückenteilzeit. Auch besteht kein Anspruch darauf, dass die Beschäftigung mit der veränderten Arbeitszeit auf dem gleichen Arbeitsplatz erfolgt. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts eine gleichwertige Arbeit zuweisen.

 

Erörterungspflicht

Im Gesetzesentwurf (Artikel 1 - Änderung des TzBfG) wird klargestellt, dass der Arbeitgeber einen Wunsch nach Änderung von Dauer und/oder Lage der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit mit dem Arbeitnehmer zu erörtern hat. Offen bleibt, welche Konsequenzen es für den Arbeitgeber hätte, wenn er seiner Erörterungspflicht nicht nachkommt.

 

Beweislastverlagerung bei der Stellenbesetzung

Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze soll es künftig eine Beweislastverteilung zu Lasten des Arbeitgebers geben. Diese Neuerung betrifft auch die heute bereits in unbefristeter Teilzeit tätige Arbeitnehmer.

Zeigt ein Arbeitnehmer, der sich in unbefristeter Teilzeit befindet, gegenüber dem Arbeitgeber an, dass er seine Arbeitszeit wieder oder erstmals verlängern möchte, soll es für den Arbeitgeber schwieriger werden, diesen Mitarbeiter bei der Besetzung freier Stellen außen vor zu lassen. Denn anders als bislang, soll der Arbeitgeber darlegen und beweisen müssen, warum er einen freien Arbeitsplatz nicht mit diesem Mitarbeiter besetzen kann. Wenn der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter bei der Besetzung freier Stellen nicht berücksichtigen möchte, müsste er belegen können, dass

  •     ein Arbeitsplatz nicht frei ist,
  •     der angestrebte dem bisherigen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers inhaltlich nicht entspricht oder
  •     der Teilzeitbeschäftigte nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer interner oder externer Bewerber.

Neben einem hohen Begründungsaufwand kämen damit zahlreiche Rechtsfragen auf die Arbeitgeber zu: Ist ein mit einem Leiharbeitnehmer besetzter Arbeitsplatz frei? Wie kann der Arbeitgeber beweisen, dass ein Arbeitsplatz nicht frei ist? Einen Anspruch auf Schaffung einer Stelle mit der gewünschten Arbeitszeit oder auf Zusammenlegung von Arbeitsplätzen hat der Arbeitnehmer nach dem Referentenentwurf aber nicht.

 

Risikobehaftete Auswahlentscheidung bei mehreren Anträgen

Rechtsunsicherheit entsteht nach dem Referentenentwurf für die Arbeitgeber, wenn sie zwischen mehreren Anträgen auf Brückenteilzeit eine Auswahl treffen und einen oder mehrere Anträge ablehnen müssen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn entgegenstehende betriebliche Gründe die Gewährung sämtlicher Anträge nicht zulassen oder in Unternehmen mittlerer Größe die Zumutbarkeitsgrenze überschritten würde.

In der Begründung des Referentenentwurfs ist von einer Auswahlentscheidung nach „billigem Ermessen″ die Rede, die sämtliche Umstände abwägen und die Interessen angemessen berücksichtigen muss. Wenn ein Arbeitgeber im Einzelfall eine fehlerhafte Auswahlentscheidung träfe, ist das weitere Vorgehen unklar: Darf der Arbeitgeber eine erneute Auswahl treffen und könnten zwischenzeitlich abgeschlossene Brückenteilzeitverträge wieder aufgehoben werden?

 

Erschwernisse bei der Personalplanung

Auch bei der Personalplanung müssen sich die Arbeitgeber umstellen. Wenn das Gesetz kommt, müssen sie künftig weit mehr „Rückkehrer″ berücksichtigen als dies bislang zum Beispiel durch Eltern- und Pflegezeit der Fall war. Bei einer Ankündigungsfrist von drei Monaten vor Beginn der Absenkung der Arbeitszeit müssen sie außerdem relativ kurzfristig nach Überbrückungsmöglichkeiten suchen und haben nicht viel Zeit, sich auf die veränderte Personalsituation einzustellen.

Zur vorübergehenden Kapazitätsabdeckung können Arbeitgeber auf die Flexibilisierungsinstrumente der Befristung von Arbeitsverträgen zu Vertretungszwecken und der Arbeitnehmerüberlassung zurückgreifen. Voraussichtlich sind das aber nicht überall die nachhaltigsten Lösungen. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels, aber auch bei Führungskräften, dürfte es schwierig werden, die vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit durch die Einstellung von befristeten Ersatzkräften auszugleichen. Es wird deshalb vermehrt zu einer Umverteilung von Arbeit kommen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden Arbeitgeber (und Kollegen) in Kauf nehmen müssen.

 

Abweichende Regelungsmöglichkeit durch Tarifvertrag

Durch einen Tarifvertrag kann der Rahmen für den begehrten Zeitraum (1 - 5 Jahre), in dem die Arbeitszeit verringert werden kann, auch zuungunsten des Arbeitnehmers festgelegt werden.

 

Ausblick

Der Referentenentwurf wirft viele rechtliche Fragen auf, die Arbeitgeber künftig beschäftigen werden, und hat auf Arbeitgeberseite bereits zu viel Kritik geführt. Das Recht auf Brückenteilzeit wird als Eingriff in die Vertragsfreiheit gewertet, der insbesondere aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels zur Unzeit komme.

Hauptkritikpunkt ist jedoch die geplante – im Koalitionsvertrag nicht vorgesehene – Beweislastverlagerung, von der die heute unbefristet Teilzeitbeschäftigten profitieren sollen und Unternehmen vor große Schwierigkeiten stellt. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, ob und welche Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch vorgenommen werden.

» Zum Referentenentwurf